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Foto: Achim Juechter, Head of Sustainable Logistics Offering Quelle: Forto

Interview: Die Bereitschaft, für grüne Lösungen mehr zu zahlen, ist gestiegen

Von der ökonomischen Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen bis hin zu innovativen Technologien zur Emissionsreduzierung - in unserem Interview mit Achim Juechter, Head of Sustainable Logistics Offering bei Forto haben wir über die Chancen, Herausforderungen und Risiken “grüner” zu werden gesprochen.

Lesezeit 7 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Ist Nachhaltigkeit in der Logistik machbar?

Achim Juechter, Head of Sustainable Logistics Offering, Forto: Ja, aus meiner Sicht absolut machbar. In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich viel getan, besonders im Umweltbereich, aber Nachhaltigkeit kann auch in einem breiteren Kontext betrachtet werden. Vor 15 Jahren gab es für viele Probleme noch keine Lösungen, sei es aus technischer oder operativer Sicht. Heute ist die Lage anders. Prinzipiell müssen drei Faktoren erfüllt sein: Die Lösung muss verfügbar, finanziell machbar und nachhaltig sein. Natürlich ist Nachhaltigkeit kein feststehendes Konzept, sondern ein Begriff, der im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurde. Für viele Probleme gibt es mittlerweile technische Lösungen, die nachhaltiger sind als der bisherige Status quo, wie etwa im fossilen Transport. Aktuell dreht sich vieles darum, wie nachhaltige Lösungen finanziell realisiert werden können. Vor 10 Jahren war die Bereitschaft der Kunden, mehr für einen grünen Transport zu bezahlen, gering. Mittlerweile haben jedoch viele Kunden Nachhaltigkeitsstrategien implementiert, und auch die Bereitschaft, für grüne Lösungen mehr zu zahlen, ist gestiegen.

Sie haben den finanziellen Aspekt angesprochen. Wie viel Klimaschutz ist wirtschaftlich sinnvoll?

Das hängt vom einzelnen Unternehmen ab und davon, wie ambitioniert es sein möchte und in welchem Umfeld es tätig ist, da Unternehmen vor allem daran interessiert sind, wettbewerbsfähig zu bleiben. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Ausgabebereitschaft in den letzten Jahren auch durch gesetzliche Vorgaben gestiegen ist. Es sind nun mehr Lösungen umsetzbar, insbesondere im Straßentransport, wo es bereits emissionsfreie LKW oder Biokraftstoffe gibt. Jedoch gibt es auch Themen wie E-LKW oder Brennstoffzellen-LKW, die nur für sehr progressive Kunden erschwinglich sind.

Können Unternehmen komplett CO2-frei operieren? Ist das realistisch oder eine utopische Vorstellung?

Es kommt darauf an, welchen Anspruch man erhebt. Für eine vollständige CO2-Neutralität müsste die Emissionsreduktion genau dort erfolgen, wo der Transport stattgefunden hat. Das Massenbilanz-Prinzip ist ebenfalls zulässig. Wenn jedoch darauf bestanden wird, dass die Emissionen physisch am Ort des Transports ausgeglichen werden müssen, könnte dies problematisch sein. Außerdem ist es nicht überall außerhalb von Zentraleuropa beispielsweise in Afrika operativ möglich oder sinnvoll, Nachhaltigkeit vollständig umzusetzen.
Ein einfaches Beispiel ist der grüne Strom: Das Thema des Stroms aus regenerativen Quellen hat sich in letzter Zeit nur deshalb so positiv entwickelt, weil man nicht den Anspruch darauf gestellt hat, dass das Molekül, das das Windrad in der Nordsee produziert, exakt in die Steckdose gehen muss. Wichtig ist, dass die Gesamtemissionen ausgeglichen werden, auch wenn dies nicht am exakten Ort des Transports geschieht.

Da möchte ich genauer nachhaken. Versteht die Politik diesen Ansatz?

Ja, definitiv. Dieser Ansatz findet bereits in anderen Bereichen Anwendung. Es gibt verschiedene Standards wie Science-Based Targets, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen. Letztendlich ist die Massenbilanzierung auch eine Vertrauensfrage, die durch geprüfte Nachweissysteme gelöst werden kann. Unsere Firma, Forto, auditiert jeden einzelnen Schritt des Dienstleistungsprozesses von externen Prüfern. Dieser Ansatz funktioniert, ist aber schwer skalierbar. Deshalb sind sogenannte Registries im Gespräch, um diesen Prozess für die Zukunft skalierbar zu machen.

Warum ist dieser Prozess so schwer skalierbar?

Die Prüfung jedes einzelnen Schrittes durch externe Prüfer ist zeit- und ressourcenintensiv. Bei vielen Unternehmen und Prozessen am Markt ist dies eine große Herausforderung. Allein bei Forto dauert der Prozess mehrere Wochen. Wenn dies bei tausend Unternehmen durchgeführt würde, wäre der Aufwand enorm.

Forto hat sich neuerdings zu den Klimazielen der Science Based Targets verpflichtet. Was ist das für eine Initiative?

Netto-Null-Ziele sind ein Versuch, das Ziel von 1,5 Grad Celsius, wie es im Pariser Abkommen festgelegt ist, auf Unternehmensebene umzusetzen. Wir haben uns verpflichtet, unseren Beitrag dazu zu leisten, indem wir auf wissenschaftlicher Basis vorgehen. Science-Based Targets sind der führende Standard auf dem Markt, und deshalb haben wir uns dafür entschieden.

Verfolgt Forto noch andere innovative Ansätze zur CO2-Reduzierung?

Ja, wir haben zwei Bereiche: unser eigenes Unternehmen und den Transportbereich, den wir für unsere Kunden abwickeln. Unser eigener CO2-Fußabdruck ist vergleichsweise gering, während die Transportemissionen für unsere Kunden dominieren. Wir sehen Fortschritte in verschiedenen Bereichen, vor allem im Einsatz von Biokraftstoffen, aber auch in der Entwicklung von Technologien wie E-Kraftstoffen und Power-to-Liquid-Kraftstoffen.

Das klingt jedoch nach einem aufwändigen Prozess, um solche Technologien zu entwickeln.

Ja, es gibt Herausforderungen wie begrenzte Produktionskapazitäten und hohe Herstellungskosten, insbesondere für E-Kraftstoffe. Dies erfordert geeignete Konzepte, wie beispielsweise die Produktion in Ländern mit viel Sonneneinstrahlung und deren Transport nach Europa.

Welchen Marktanteil haben derzeit E-Kraftstoffe derzeit?

Ihr Marktanteil ist noch sehr gering, weit unter einem Prozent. Diese Lösung wird voraussichtlich erst ab 2030 an Bedeutung gewinnen.

Welche Fehler machen Unternehmen am häufigsten auf dem Weg zur Nachhaltigkeit?

Zwei Fehler sind häufig: Zum einen wird oft darauf gewartet, dass eine perfekte Lösung gefunden wird, anstatt bereits vorhandene, wenn auch unvollkommene Lösungen zu nutzen, um das Thema voranzutreiben. Zum anderen ist Vertrauen, insbesondere geprüftes Vertrauen, in die Verwendung der finanziellen Mittel entscheidend. Es muss klar sein, dass Gelder, die von Kunden fließen, tatsächlich in nachhaltige Maßnahmen fließen. Die Branche muss sehr darauf achten, dass sie ein vertrauensvolles Bild abgibt. Es gibt immer wieder einzelne Fälle, wo Einzelunternehmen Qualitätsstandards nicht eingehalten haben. Das schädigt dann den Ruf der Branche. In der Regel ist die Branche aber seriös, allerdings reichen einzelne Fälle, um diesen Ruf zu erschüttern.

Hat die Branche ein Greenwashing-Problem?

Nicht generell. Man muss verstehen, dass Greenwashing nicht nur eine Aussage über die Aktivität ist, sondern darüber, ob das, was gesagt wird, mit dem übereinstimmt, was getan wird. In der Vergangenheit wurden oft mutige Statements gemacht über die Vorteile einer grünen Lösung, was zu Vorwürfen des Greenwashings geführt hat. Als Forto versuchen wir das zu vermeiden. Die Branche insgesamt versucht mittlerweile, regulatorische Transparenz zu schaffen, indem sie ihre Aktivitäten und ihre Vor- und Nachteile offen kommuniziert. Wichtig ist, nicht zu behaupten, dass die Lösung perfekt ist, sondern offen über ihre Vor- und Nachteile zu sprechen.

Bezüglich der gesetzlichen Ebene, gehen die Gesetze in die richtige Richtung? Könnte man jedoch etwas besser machen? Inwiefern?

Die Gesetzgebung benötigt Kontinuität, besonders bei langfristigen Investitionen in grüne Maßnahmen. Unternehmen müssen wissen, wie sich die Gesetzgebung in den nächsten Jahren entwickeln wird, um langfristige Investitionen zu planen. Die politische Volatilität hat die Branche verunsichert und dazu geführt, dass viele sich mit Investitionen zurückhalten. Die Politik sollte daher mehr Kontinuität in die Rahmenbedingungen bringen und ein klares Zielbild festlegen, um Vertrauen zu schaffen.

Abschließend, welche Empfehlungen hätten Sie an die Politik bezüglich der langfristigen Perspektive?

Es ist wichtig, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Politik sollte sich fragen, ob sie technologieoffen sein möchte. Jede Technologie hat ihren Platz und sollte gefördert werden, solange sie eine Lösung für die Zukunft darstellt. Es ist jedoch wichtig, nicht Technologien von gestern wie beispielsweise Verbrennungsmotoren zu fördern, sondern mutig und zukunftsorientiert zu sein.

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