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Foto: Borderless Technologies GmbH

Interview: “Der finanzielle Mehrwert durch Blockchain resultiert nicht direkt aus der Blockchain selbst, sondern aus der Automatisierung, die sie ermöglicht”

Wann kommt der Durchbruch der Blockchain in der Logistik? Welche Potentiale können sich aus der Verschmelzung von Blockchain und KI ergeben? Warum wird Blockchain in der allgemeinen Wahrnehmung auf Kryptowährungen reduziert? Darüber haben wir mit Christian Hammermeister von der Borderless Technologies GmbH gesprochen.

Lesezeit 19 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Wie steht es um die Blockchain in Deutschland? Viele haben bereits von einer Revolution gesprochen, die jedoch bisher ausgeblieben ist. Wann kommt der Durchbruch?

Christian Hammermeister, Founder, Borderless Technologies GmbH:Das ist eine gute Frage, die viele beschäftigt. Die Diskussion um die Blockchain-Technologie wurde von einem großen Buzzword begleitet: Web 3. In den USA war die Aufregung groß, mit Vorstellungen von einer sofortigen Revolution und der Aussicht, bald im Metaverse zu leben, NFTs zu kaufen und vieles mehr. Doch dann kam letztes Jahr die Zinswende und die gesamte Startup-Bubble platzte, was die Reputation der Blockchain deutlich beeinträchtigte.
In den USA sind die Leute oft schnell begeistert, aber genauso schnell kann der Enthusiasmus verpuffen. Hier in Europa sind wir vielleicht etwas langsamer, aber das hat auch Vorteile. Es reduziert das Risiko, Hypes zu folgen, die sich als leere Versprechungen erweisen. Allerdings gehen auch hierbei mögliche Chancen verloren.

Das größte Problem lag möglicherweise darin, dass viele dachten, die Blockchain wird der nächste Bitcoin werden. Start-ups versuchten, das Interesse der Investoren zu wecken, indem sie behaupteten, die nächste große Kryptowährung zu haben. Doch oft blieb nur ein Initial Coin Offering ohne echten Nutzen übrig. Der Fokus lag zu stark auf dem Finanzaspekt, dabei kann die Technologie viel mehr als Finance. Unternehmen wie R3 mit Corda haben das erkannt und sich auf Distributed Ledger Lösungen spezialisiert. Sie haben nicht den Fehler gemacht, sich ausschließlich auf Kryptowährungen zu konzentrieren. Diese Unternehmen stehen heute noch, während viele andere gescheitert sind. Der Hype mag vorbei sein, aber wir sind optimistisch. Jetzt ist die Zeit gekommen, um vernünftige Lösungen zu entwickeln und den europäischen Markt zu erobern. Es wird zwar etwas länger dauern, aber wir sind bereit, den nächsten Schritt zu gehen.

Verstehen viele einfach nicht wirklich, was Blockchain ist?

Es geht nicht darum, dass die Leute nicht verstehen, wie großartig Blockchain ist. Vielmehr lag das Problem eher auf Seiten der Anbieter. Viele Start-ups, vor allem aus dem Silicon Valley, konzentrierten sich auf die Einführung von Kryptowährungen.
Sicherlich, Kryptowährungen sind interessant,aber was wirklich faszinierend ist, ist die Automatisierung, die Blockchain ermöglicht. Wir haben die Möglichkeit, sicheren Code auszuführen, Geschäftstransaktionen aufzuzeichnen und zu validieren, selbst in komplexen Prozessketten mit mehreren Partnern. Doch das haben nur wenige wirklich ausprobiert. Unsere Blockchain-Lösung verzichtet bewusst auf Kryptowährungen. Wir betrachten die Technologie nüchtern aus technischer Sicht und fragen: Was können wir damit machen und welche Mehrwerte können wir unseren Kunden bieten.

Was sind denn die Mehrwerte? Was macht Blockchain in der Logistik so spannend? Welche Chancen bieten sich konkret?

Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass wir Prozessketten absichern können, indem wir Businesslogic in ein Stück Code gießen. Das nennt man Smart Contracts. Diese können beliebige Daten verarbeiten und sicherstellen, dass die Informationen verteilt und nachvollziehbar sind. Das ist besonders nützlich für komplexe Prozessketten, wie sie typischerweise in der Logistik vorkommen.
In der Logistik haben wir oft viele beteiligte Parteien, vom Käufer über den Verkäufer bis zum Spediteur. Blockchain ermöglicht es, diese Parteien auf eine dezentrale Weise zusammenzubringen, ohne dass ein zentraler Vermittler nötig ist. Das ist im Gegensatz zu zentralisierten Cloud-Lösungen, bei denen ein Plattformanbieter den Prozess verwaltet und die Daten kontrolliert.
Ich finde den Gedanken faszinierend, Prozesse dezentral zu gestalten und die Blockchain als Mechanismus zu nutzen, um Vertrauen zwischen den Parteien zu schaffen. Das ist ein entscheidender Vorteil, den uns die Blockchain bietet.

Cloud-Lösungen wurde immer mangelnde Sicherheit vorgeworfen. Wie sieht es mit Blockchain aus?

Ich sehe das Problem bei Cloud-Lösungen nicht unbedingt in ihrer mangelnden Sicherheit, denn Cloud-Lösungen können durchaus sicher gemacht werden. Das eigentliche Problem liegt vielmehr darin, dass das Vertrauen in eine zentrale Instanz gebündelt wird, die die gesamte Cloud verwaltet. Wenn diese Instanz beispielsweise gehackt wird, sind alle Daten gefährdet.
Was jedoch noch problematischer ist, ist das Datenschutzkonzept. Oft gibt es bei Cloud-Lösungen kein klares Datenschutzkonzept, und diejenigen, denen die Plattform gehört, haben Zugriff auf alle Daten. Das kann zu erheblichen Bedenken führen, insbesondere wenn es um sensible Daten wie Ausschreibungen oder Preisverhandlungen geht. Blockchain hingegen bietet eine Lösung für diese Probleme.

Mit Blockchain bleiben die Daten dezentral und unter der Kontrolle der jeweiligen Nutzer. Es gibt keine zentrale Instanz, die alle Daten einsehen kann. Stattdessen können Nutzer entscheiden, welche Daten sie teilen möchten und mit wem. Selbst im Falle eines Datenlecks bleibt der Schaden lokal begrenzt, da nicht das gesamte Netzwerk gehackt werden kann, sondern nur einzelne Knoten betroffen sind.

Welche Vorteile gegenüber anderen Technologien gibt es noch?

Neben dem Datenschutz ist auch die Struktur des Netzwerks ein entscheidender Vorteil von Blockchain. Blockchain ist ein Peer-to-Peer-Netzwerk, bei dem die Teilnehmer direkt miteinander kommunizieren. Dadurch können wir ein ganz anderes Geschäftsmodell entwickeln, bei dem die Nutzer nicht nur passive Benutzer sind, sondern aktiv am Netzwerk teilnehmen können.
Nutzer können ihren eigenen Server aufstellen, die Software darauf deployen und somit Teil des Netzwerks werden. Das ist ein Vorteil, den nicht viele Technologien bieten. Unser Ziel ist es, diese dezentralen Lösungen genauso einfach nutzbar zu machen wie zentrale Plattformen. Denn nur wenn die Technologie einfach zugänglich ist, kann sie sich weit verbreiten und ihr volles Potenzial entfalten.

Die Hürde für die technische Integration ist also sehr niedrig. Verstehe ich das richtig?

Aktuell sehen wir die Hürden für die technische Integration noch als zu hoch an. Wenn man beispielsweise eine große Blockchain-Lösung wie Hyperledger von IBM nutzen möchte, muss man in der Lage sein, einen Server einzurichten und eine sogenannte Certificate Authority zu betreiben. Oft wird einem eine Menge Open-Source-Software zur Verfügung gestellt, aber es fehlt oft an einfachen Anleitungen und an einer intuitiven Benutzererfahrung. Unsere Vision ist es, diese Hürden abzubauen und die Integration so einfach zu gestalten wie das Anmelden auf einer Plattform mit einer E-Mail-Adresse und Zahlungsinformationen.

Und warum sind andere bisher nicht auf die Idee gekommen, die Hürde niedrig zu halten?

Das liegt meiner Meinung nach daran, dass in der Vergangenheit das Geschäftsmodell vor allem darauf abzielte, Investoren anzulocken, indem man behauptete, die nächste große Kryptowährung zu sein. In diesem Hype sind viele vielversprechende, aber vielleicht etwas “langweiligere” Lösungen untergegangen. Es gibt jedoch durchaus interessante Ansätze, sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. Im B2C-Bereich gibt es beispielsweise das Polkadot-Ökosystem, das versucht, Benutzer mit Browser-Erweiterungen und Wallets anzusprechen. Im B2B-Bereich haben wir verschiedene Lösungen wie Quorum, R3 Corda und das Hyperledger-Framework.


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Wie wird das Thema in der Logistik selbst eigentlich aufgenommen? Gibt es Vorbehalte und Skepsis?

Das kann ich zumindest nicht bestätigen. Es scheint mir, als würde ich mich ein wenig aus meiner Technikblase bewegen. Lassen Sie mich kurz den Hintergrund unserer Firma erläutern: Wir entwickeln seit drei Jahren Software. Zwei Informatiker, die auf eine Idee gekommen sind. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir sagen können: “Okay, wir können damit an die Öffentlichkeit gehen”, und wir beginnen damit, mit Leuten zu sprechen. Tatsächlich sind wir gerade in Vertragsverhandlungen mit einem potenziellen Kunden, der beabsichtigt, das Produkt Ende des Jahres produktiv einzusetzen.

Mein Eindruck ist eigentlich folgender, und er ist ein wenig ernüchternd für mich als Technik-Enthusiast: Die Leute interessieren sich gar nicht so sehr für die Technologie dahinter. Vielmehr interessiert sie, was sie damit anfangen können. Sobald wir einen Mehrwert bieten können, verschwindet die Skepsis. Wenn ich den Leuten erkläre, was wir für sie tun können, oder welchen Nutzen unsere Lösung bietet, erlebe ich großes Interesse und kaum Skepsis.

Welchen finanziellen Mehrwert bietet Blockchain für Unternehmen?

Der finanzielle Mehrwert durch Blockchain resultiert nicht direkt aus der Blockchain selbst, sondern aus der Automatisierung, die sie ermöglicht. Wenn Unternehmen in der Lage sind, Prozesse zu automatisieren, können sie Personalkosten einsparen. Betrachten wir beispielsweise, wie viele Abläufe nicht nur in der Logistik, sondern auch in anderen Bereichen noch manuell mit Zettel und Papier oder Briefen abgewickelt werden. Allein durch die Digitalisierung dieser Vorgänge ergeben sich erhebliche Vorteile. Ein Bereich, der besonders positiv aufgenommen wird und den Sie mit Smart Contracts auf der Blockchain umsetzen können, ist das automatisierte Ausschreibungsverfahren.Angenommen, ein Unternehmen möchte eine Ware von Punkt A nach Punkt B transportieren lassen, mit bestimmten Maßen und Anforderungen. Eine Gruppe von Spediteuren kann sich darauf bewerben, ihre Angebote abgeben, und das Unternehmen kann diese Angebote automatisiert bewerten und den Zuschlag erteilen. Durch die Nutzung von Smart Contracts und die Integration in die Blockchain wird dieser Prozess rechtssicher. Jeder Beteiligte kann nachweisen, dass der Zuschlag erfolgt ist, und es entsteht eine transparente und vertrauenswürdige Abwicklung.
Es ist offensichtlich, dass durch solche Automatisierungen Kosten eingespart werden können. Im Vergleich dazu, wenn man manuell bei verschiedenen Spediteuren anfragt und Angebote einholt, ist der Prozess wesentlich zeitaufwändiger. Wie ich in meinem Vortrag erwähnte, erfolgt die Bearbeitung schneller, als man das Wort “Angebot” aussprechen kann. Der Smart Contract fordert, bewertet und bucht das Angebot automatisch. Dadurch entstehen klare Mehrwerte.

Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung von Prozessen durch Smart Contracts ist die Schaffung eines digitalen Zwillings. Dadurch entsteht eine umfassende Transparenz im eigenen Prozess, da jeder Schritt digital nachverfolgbar ist. Diese Möglichkeit, den Prozess digital im Browser zu verfolgen, bietet einen zusätzlichen Mehrwert.

Ist Blockchain auch eine Lösung für kleine und mittlere Unternehmen ?

Wir arbeiten aktiv daran, Lösungen zu entwickeln, die auch für kleine und mittlere Unternehmen zugänglich sind. Allerdings erfordert der initiale Schritt die Implementierung von Smart Contracts, was mit einem gewissen Entwicklungsaufwand verbunden ist. Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit einigen kleineren Mittelständlern. Interessanterweise zeigen jedoch vor allem Großunternehmen großes Interesse, da sie über eigene IT-Ressourcen verfügen und bereit sind, finanzielle Mittel für maßgeschneiderte Lösungen auf Basis dieser Technologie bereitzustellen.
Gleichzeitig arbeiten wir intensiv an der Entwicklung standardisierter Smart Contracts, die für verschiedene Anwendungsfälle verwendet werden können. Dies ist besonders für mittelständische Unternehmen von Interesse, da sie dadurch Zeit und Ressourcen sparen können. Ein Beispiel hierfür ist das automatisierte Ausschreibungsverfahren: Wenn dieses einmal entwickelt wurde, kann es von verschiedenen Unternehmen genutzt werden, ohne dass jedes Mal ein individueller Entwicklungsaufwand erforderlich ist.

Unser Ziel ist es, eine Plattform bereitzustellen, auf der Unternehmen sich registrieren können und aus einem Katalog von Smart Contracts wählen können, die sie sofort einsetzen können. Obwohl wir dieses Ziel noch nicht vollständig erreicht haben, arbeiten wir mit Hochdruck daran, diese Möglichkeit schnellstmöglich umzusetzen. Besonders die Mittelständler sind sehr motiviert und entscheidungsfreudig, daher möchten wir diesen Unternehmen gerne passende Lösungen bieten, auch wenn Großunternehmen manchmal etwas träge sein können.

Braucht man bestimmtes Know-how, um solche Technologien zu implementieren?

Das Thema Know-how im Unternehmen ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Implementierung solcher Technologien geht. Aktuell ist bei den mir bekannten Lösungen in der Tat ein gewisses Maß an Fachwissen erforderlich. Jedoch arbeiten wir mit Hochdruck daran, diesen Prozess zu vereinfachen, sodass es letztendlich so einfach wird wie die Anmeldung mit einer E-Mail-Adresse, das Einrichten einer Wallet und das Deployment von Smart Contracts. Es darf nicht sein, dass wir Hürden aufbauen und den Nutzern vorschreiben, sich erst in komplizierte technische Themen einzuarbeiten, bevor sie von den Vorteilen profitieren können. Als Informatiker ist es unsere Aufgabe, die Komplexität zu reduzieren, damit Endbenutzer einfach und ohne große Hürden Produkte nutzen können, die ihnen einen Mehrwert bieten. Das Ziel ist, eine Benutzererfahrung zu schaffen, die einfach und intuitiv ist.

Seit einiger Zeit wird das Thema Quantencomputing heiß diskutiert. Es gibt auch Meinungen, dass Quantencomputing das Ende der Blockchain bedeutet.

Man muss hier differenzieren. Quantencomputing bedeutet das Ende der sogenannten asymmetrischen Kryptographie. Diese Diskussion begann vor etwa fünf bis sieben Jahren und seitdem hat sich viel getan. Es gibt mittlerweile kryptographische Verfahren, die auch gegen Quantencomputing sicher sind und bereits seit einigen Jahren existieren. Das Argument, dass Quantencomputer die Blockchain zerstören werden, betrifft möglicherweise bestimmte ältere Blockchain-Lösungen auf dem Markt, deren Kryptographie nicht quantensicher ist. Bei der Entwicklung unserer Lösung haben wir jedoch darauf geachtet, nur kryptographische Methoden zu verwenden, die gegen Quantencomputer beständig sind. Obwohl diese Methoden möglicherweise etwas mehr Rechenleistung erfordern, ist es den Aufwand wert, um langfristige Sicherheit zu gewährleisten.

Können Sie sich vorstellen, dass solche Technologien wie KI, Blockchain oder auch Quantencomputing irgendwann mal zusammenschmelzen?

Was Quantencomputing betrifft, bin ich persönlich noch skeptisch, wann wir sehen werden, dass es weit verbreitet eingesetzt wird. Aktuell handelt es sich um sehr komplexe und aufwändige Systeme, die bei extrem niedrigen Temperaturen um die -200 Grad betrieben werden müssen. Ich glaube zwar an die Entwicklung von Quantencomputern, sehe aber eher Anwendungsfelder in der Forschung oder bei spezialisierten Einrichtungen wie Geheimdiensten, die bestimmte Verschlüsselungen knacken möchten. Es ist unwahrscheinlich, dass wir bald Quantencomputer wie herkömmliche PCs in unseren Büros haben werden.

Bei KI und Blockchain kann man jedoch bereits gewisse Verknüpfungen sehen. KI-Systeme wie Chat-GPT sind beispielsweise über APIs verfügbar, was bedeutet, dass sie als Programmierschnittstelle für Endanwender zugänglich sind. Diese APIs können nahtlos mit Blockchain-Technologie integriert werden. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von Smart Contracts, um Daten zu extrahieren, und die Verwendung von APIs, um diese Daten in verschiedenen Systemen zu nutzen. Man könnte sich vorstellen, dass diese APIs in Zukunft nicht nur mit herkömmlichen Datenbanken oder ERP-Systemen interagieren, sondern auch mit KI-Systemen. So könnte beispielsweise ein Smart Contract Daten extrahieren und sie an ein KI-System wie Chat-GPT senden, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Die Anwendungsfälle dafür mögen im Moment noch begrenzt sein, aber technisch gesehen ist eine solche Integration durchaus möglich.

Sie haben das Thema Dezentralisierung bereits häufig angesprochen. Laufen wir prinzipiell auf eine Dezentralisierung der Logistikbranche hin?

Ja, wir bewegen uns definitiv in Richtung einer Dezentralisierung der Logistikbranche, und das ist meiner Meinung nach äußerst wünschenswert. Die zunehmende Verbreitung dezentraler Lösungen wie Blockchain und Plattformlösungen spiegelt diesen Trend wider. Ich persönlich habe lediglich gewisse Bedenken gegenüber den großen zentralisierten Cloud-Dienstleistern. Es gibt eine Reihe von Aspekten, die ich an ihnen als problematisch empfinde. Die dezentralen Softwarelösungen hingegen entsprechen mehr unserer europäischen Vorstellung. Jeder hat im Grunde genommen seinen eigenen Server, und die Server kommunizieren untereinander.

Warum sollten wir unser gesamtes Vertrauen in eine einzige Instanz legen? Warum sollten wir alles zentralisieren? Ich betrachte diese dezentralen Ansätze ein wenig als ideologisches Gegenmodell zu den Cloud-Anbietern. Ich würde es begrüßen, wenn wir in Europa mehr auf diese dezentralen Lösungen setzen würden, da sie meiner Meinung nach besser mit unseren Grundwerten vereinbar sind. Themen wie Datenschutz und das Recht auf Löschung sind besser umsetzbar, wenn die Daten auf eigenen Servern liegen und sie nur dann verlassen, wenn wir es möchten.

Es gibt bereits viele vielversprechende Ansätze in diese Richtung. Ein Beispiel ist der digitale Frachtbrief, der von der Open Logistics Foundation und dem Fraunhofer-Institut entwickelt wird. Solche dezentralen Lösungen finde ich äußerst positiv und unterstützenswert. Ich habe den Eindruck, dass diese Tendenz zunehmen wird, und ich hoffe, dass sich dezentrale Ansätze gegenüber zentralen Plattformen durchsetzen werden.

Aber trotz aller Vorteile können sich dezentrale Lösungen nur schwer durchsetzen.

Die langsame Verbreitung dezentraler Technologien wie Blockchain ist meiner Meinung nach hauptsächlich auf technische Hürden zurückzuführen. Die Entwicklung und Implementierung solcher Lösungen erfordern spezialisiertes Fachwissen, das nicht immer leicht zugänglich ist. Oftmals gibt es zwar Open-Source-Lösungen, aber es mangelt an Personen, die diese Lösungen effektiv umsetzen und verbreiten können.

Wie wird die Zukunft der Blockchain der Zukunft aussehen?

Was die Zukunft der Blockchain-Technologie angeht, ist es schwer genaue Vorhersagen zu treffen. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir in den nächsten fünf Jahren eine deutlich stärkere Verbreitung von sogenannten Business-Blockchains sehen werden. Diese speziellen Blockchain-Lösungen lösen verschiedene Probleme, insbesondere in Industrien wie der Logistik. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Nutzung von Blockchain in der Logistik weiter ausbreiten wird und sich auch auf andere Unternehmensbereiche auswirken wird. Wenn Logistikunternehmen diese Technologie bereits einsetzen und andere Unternehmen sich anschließen können, um ihre Prozesse zu automatisieren, wird dies die Akzeptanz und Verbreitung weiter fördern. Ich erwarte, dass sich die Blockchain-Technologie stetig und organisch im Markt etablieren wird.

Haben Sie Empfehlungen oder Anforderungen an die Politik, um solche Technologien schneller voranzutreiben?

Wenn es darum geht, die Einführung und Nutzung solcher Technologien zu beschleunigen, denke ich, dass die Politik nicht unbedingt der einzige Adressat ist. Meine Empfehlung an die Politik wäre jedoch, bei der Regulierung nicht zu vorschnell zu handeln. Es ist wichtig, dass wir in Europa umfangreich regulieren und sorgfältig darüber nachdenken, wie wir neue Technologien einsetzen möchten. Dies gilt insbesondere für Bereiche wie Künstliche Intelligenz, wo Europa eine Vorreiterrolle bei der Einführung umfassender Regulierungsmaßnahmen eingenommen hat. Dennoch müssen wir darauf achten, dass wir Innovationen nicht im Keim ersticken. Zu viele rechtliche Hürden könnten die Entwicklung insbesondere für Start-ups erschweren, die oft die treibende Kraft hinter neuen Entwicklungen sind. Daher ist ein ausgewogenes Vorgehen erforderlich: Innovationen zulassen und regulieren, wo es notwendig ist.
Was die Beschleunigung der Digitalisierung betrifft, denke ich, dass es in Deutschland möglicherweise Verbesserungsbedarf gibt. Es könnte sein, dass wir etwas mutiger sein sollten, neue Wege zu gehen und neuen Technologien eine Chance zu geben. Es ist wichtig, dass wir offen sind für Innovationen und bereit sind, neue Lösungsansätze zu testen.

Abschließend, außer Blockchain, welche Technologien sind für Sie besonders zukunftsfähig?

Nun, ich muss natürlich dem Hype um KI zustimmen. Daran führt kein Weg vorbei, und ich glaube, jeder versteht, warum KI-Lösungen uns in Zukunft nicht mehr loslassen werden. Allerdings darf nie vergessen werden, dass trotz des ganzen Hypes um Technologie und Buzzwords letztendlich die Produkte, die mit der Technologie entwickelt wurden, die Veränderungen bringen. Ein Beispiel: Large Language Models sind derzeit sehr im Trend, da ChatGPT ein solches Modell ist. Allerdings gibt es Large Language Models schon seit einiger Zeit. Zum Beispiel hatte Google ein Produkt namens “LaMDA”. Es hat damals niemanden interessiert, es wurde nicht in den Medien diskutiert, es gab keine Anhörungen im Kongress darüber, ob dieses Large Language Model irgendwelche negativen Auswirkungen haben würde. Aber ChatGPT hat einfach besser funktioniert. Die Leute haben verstanden, wie sie es nutzen können und warum es cool ist.Und plötzlich begann der Hype um KI und Large Language Models. Letztendlich ist es jedoch das Produkt, das den Unterschied macht, nicht unbedingt die Technologie an sich. Die Technologie ist zunächst nur ein Werkzeug, das von findigen und klugen Köpfen genutzt werden muss, um einen Mehrwert zu schaffen.

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