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Foto: Codognotto

Europa will den intermodalen Güterverkehr fördern, aber es gibt viele Hürden

In Europa herrscht große Einigkeit, wenn es darum geht, im Rahmen einer Logistikinitiative mehr Güter auf die Schiene zu bringen.Mehr Schienengüterverkehr würde weniger LKW auf der Straße bedeuten, was wiederum zu weniger Stau und geringeren CO2-Emissionen führen würde. Doch obwohl es zahlreiche Beispiele von Unternehmen gibt, die bereit sind, in den Schienengüterverkehr zu investieren, gibt es in letzter Zeit auch immer mehr Warnsignale.

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Dies hat besonders ein aktueller Bericht von CargoON verdeutlicht, der sich wiederum auf die nicht ganz so optimistische Schlussfolgerungen des Europäischen Rechnungshofs beruft, dass von den sechs analysierten Ländern Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Deutschland und Polen keines auf eine verstärkte Abwicklung intermodaler Verkehre vorbereitet sei.
Nicht lange nach der Veröffentlichung dieses Berichts präsentierte auch die schwedische Transportagentur eine Studie, die ergab, dass trotz offensichtlichem Interesse am Gütertransport auf der Schiene mangelnde Kapazitäten und geringe Pünktlichkeit interessierte Parteien abschreckten.

Jonathan Sundin von der schwedischen Transportagnetur bezeichnete die Ergebnisse als „besorgniserregend“. Vor allem die Tatsache,  dass der Schienengüterverkehr in Schweden stagniert, da die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zum Straßentransport nicht gegeben ist. Der Bericht verweist auf mangelnde Pünktlichkeit der Transporte, was wiederum die Planung erschwert und die Kosten erhöht.

Die Studie warnt auch davor, dass Logistikunternehmen dem Schienengüterverkehr den Rücken zukehren könnten, wenn die oben genannten Probleme nicht gelöst werden.

Ein weiterer EU-Staat, der seinen Schienengüterverkehr ausbauen möchte, ist Irland, aber wie die Freight Transport Association Ireland kürzlich als Reaktion auf die ambitionierten Pläne der irischen Regierung feststellte, muss noch viel getan werden.

Irland liegt bei der Entwicklung seines Schienennetzes derzeit hinter anderen EU-Ländern zurück – wir haben den geringsten Anteil an elektrifizierten Strecken in Europa – und bei einem so effizienten Straßennetz wird die Umstellung auf die Schiene für viele Unternehmen nicht attraktiv sein, insbesondere weil an den Knotenpunkten nicht so reibungslos und effizient gearbeitet wird, wie es sein sollte. Der Schienengüterverkehr würde LKW auf der Straße überflüssig machen, aber ohne Investitionen in die richtige Infrastruktur können die Güter den Endverbraucher nicht schnell genug erreichen, sagte FTAI-Geschäftsführer Aidan Flynn.

Ein europäisches Unternehmen, das sich auf den intermodalen Verkehr fokussiert, ist Codognotto. Das Logistikunternehmen hat in den letzten zwei Jahren rund 10 Millionen Euro in intermodale Container investiert. Eine weitere Million Euro wurde in die neueste Generation von Containern und intermodalen Aufliegern investiert, die speziell für den intermodalen Verkehr entwickelt wurden. Darüber hinaus wurden in den Jahren 2021 und 2022 weitere 3,5 Millionen Euro in die intermodale IT-Infrastruktur investiert.

Codognotto erzielte im Jahr 2021 im Intermodalgeschäft einen Umsatz von rund 60 Millionen Euro und übertraf diesen Wert im darauffolgenden Jahr um über 10 Millionen Euro.
Dennoch ist Marco Manfredini, Group General Manager Operations bei Codognotto, der Ansicht, dass der Straßengüterverkehr in Europa weiterhin Potential hat.

Im Gespräch mit trans.INFO äußerte Marco Manfredini seine Besorgnis darüber, dass der intermodale Verkehr an Dynamik verlieren könnte:

„Während der Corona-Pandemie wurden alle Investitionen bei der Bahn eingestellt, was für Transportunternehmen schlechte Folgen hatte.

Nach der Pandemie kam die Wirtschaft schließlich wieder in Gang, und es gab einen Aufschwung. Dann, nach etwa 5 Monaten, hatte der Krieg in der Ukraine große Auswirkungen auf die Personalkapazitäten. Dies führte dazu, dass der Transport auf die Schiene und die Intermodalität verlagert wurde, da aufgrund des kriegsbedingten Rückgang der Zahl der osteuropäischen Fahrer weniger LKW auf der Straße unterwegs waren.

Es war das perfekte Szenario für den Schienengüterverkehr, um einen zusätzlichen Anteil von 20 Prozent am Transportmarkt zu ergattern, aber man war nicht darauf vorbereitet. Auf den Eisenbahnstrecken wurden zahlreiche Arbeiten durchgeführt, die den Service stark beeinträchtigten.

Das war sehr frustrierend für uns und viele andere Unternehmen, die viel Geld in den Austausch von Anhängern und die Vorbereitung des Fuhrparks für den intermodalen Verkehr investiert haben.”

Auch Manfredinis Aussagen zum Serviceniveau bestätigen die Schlussfolgerungen des Berichts der schwedischen Transportagnetur.  Codognottos Group Managing Director für Operations sagte gegenüber trans.INFO:

„Ein weiterer kritischer Aspekt ist der Service, einschließlich der vielen Stornierungen. Aber trotz des eingeschränkten Service gab es starke Preiserhöhungen durch die Einführung von Energiezuschlägen, eine typisch monopolistisches Vorgehensweise.

Wir alle wissen, was im letzten Jahr auf dem Energiemarkt passiert ist. Aber wie kann man mit höheren Kosten und weniger Service auf dem Markt wettbewerbsfähig bleiben?

Das ist schade für das intermodale Segment, denn wir verlieren viele Möglichkeiten, die wir hätten, wenn wir den kombinierten Verkehr wählen würden. Wenn ich mit den Bahnbehörden spreche, konzentrieren sie sich eher auf große langfristige Investitionen, die erst in 10 Jahren Früchte tragen werden.”

Ein weiteres Thema, das in unserer Diskussion angesprochen wurde, war das Investitionstempo. Obwohl künftige Projekte zu begrüßen sind, ist Manfredini der Ansicht, dass die bestehende Infrastruktur besser genutzt werden muss, um rasch Verbesserungen zu erreichen:

„Der Brennertunnel könnte in  5 Jahren fertig sein, der Frejus-Tunnel in 7 Jahren, mit dem Ziel, den Schienengüterverkehr in Deutschland in 10 Jahren zu verdoppeln. Das sind alles gute und tolle Pläne für die Zukunft, aber wir brauchen jetzt auch etwas Konkretes.”

All dies geschieht zu einer Zeit, in der die EU wegen der CO2-Emissionsziele den intermodalen Verkehr vorantreiben will.

Manfredini fügt hinzu:

„Einige Kunden ziehen sich aus der Intermodalität zurück, weil sie nicht sachgemäß funktioniert. Das Problem dabei ist, dass es sehr lange dauern kann, bis die Kunden ihre Meinung über den Schienengüterverkehr ändern, und die Intermodalität erfordert große Volumen.

Es dauert lange, diese Volumen aufzubauen, aber innerhalb weniger Monate kann man alles verlieren, was man in den letzten drei bis vier Jahren aufgebaut hat.”

Schließlich betonte der Group Managing Director for Operations bei Codognotto den Aspekt der Zusammenarbeit.

„Es muss eine Teamlösung geben. Die Infrastruktur muss vorhanden und zugänglich sein. Stellen Sie sich vor, dass ein Zug manchmal 30 Minuten Verspätung hat und deshalb erst nach Schließung des Terminals eintrifft. Man kann den Zug nicht entladen und muss warten, und natürlich kann es sein, dass man dort 50-60 Ladungen hat.

Die betriebliche Koordinierung ist der Schlüssel zur Verbesserung der intermodalen Situation und gibt dem Markt die Möglichkeit, einige Alternativen zu haben, um Güter weiter zu befördern – vielleicht nicht so gut wie früher, aber so, dass die Unternehmen trotzdem Güter befördern können. Wenn ich von Koordinierung spreche, dann meine ich nicht nur die Koordinierung auf der Schiene, sondern auch das, was auf der Straße und der Binnenschifffahrt.

Es könnte sein, dass der Flusspegel für die Binnenschifffahrt nicht hoch genug ist, was bedeutet, dass die Güter, das auf einen Lastkahn verladen werden müssen, mit einem anderen Verkehrsmittel transportiert werden müssen.

So war beispielsweise der Tarvisio im vergangenen Juli geschlossen. Dies ist der Spitzenmonat für Waren, die Italien in Richtung Nordeuropa verlassen, und es ist sehr schwierig, in diesem Monat Lastwagen zu finden, die alle  Ladungen transportieren können. Eine Alternative wäre die Schließung im August gewesen; vielleicht hätte man als Alternative einige Fahrzeuge für den kombinierten Personenverkehr zur Verfügung stellen können [HINWEIS – dies wurde seit dem Zeitpunkt, zu dem das Interview geführt wurde,  berücksichtigt].

Ich verstehe, dass es sehr schwierig ist, schnelle Lösungen für unmittelbare Probleme zu finden, aber wenn das Ziel Europas in den nächsten Jahren oder so eine starke Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist, muss etwas nach dem Vorbild der Schweiz getan werden.

Die Schweiz ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. Sie hat viel investiert und Fortschritte gemacht, aber sie ist nur ein kleines Land in der Mitte Europas.”

Es gibt natürlich eine Reihe von Gründen, die die Richtigkeit der Strategie auf den intermodalen Verkehr umzusteigen bestätigen. Der Schienengüterverkehr hat im vergangenen Jahr ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht, und einige große britische Einzelhändler haben 2021 angesichts des gravierenden LKW-Fahrermangels im Land auf die Schiene gesetzt. Darüber hinaus könnten die Pläne der SNCF den Schienengüterverkehr zum und vom Hafen Calais sogar verdreifachen.

Andererseits sollten die Hindernisse und Hürden, auf die Branchenexperten wie Marco Manfredini, Aiden Flynn und Jonathan Sundin hinweisen, nicht unbemerkt bleiben, wenn der Schienengüterverkehr gefördert werdeb soll.

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