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Deutsche Industrie in der Dauerkrise?

Die Rezession hat sich in Deutschland verfestigt und die Wirtschaft tritt auf der Stelle. Aber auch die Eurozone steckt weiterhin in der Krise.

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Die Industrie der Eurozone blieb auch im April in einer Rezessionsphase.Der HCOB Einkaufsmanagerindex Industrie Eurozone, erhoben von S&P Global sank im April um 0,4 Punkte auf 45,7 Punkte, was nicht nur den 22. Monat in Folge unter der neutralen Wachstumsmarke von 50 Punkten darstellt, sondern auch eine leicht beschleunigte Abwärtsbewegung anzeigt.

Wer wird die Wirtschaft der Eurozone retten? Dies ist eine schwierige Frage, aber eines ist klar: Es ist sicher nicht das verarbeitende Gewerbe. Stattdessen zieht sich die Industrie-Rezession in den April hinein, kommentierte Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.

Die Lieferzeiten verlängerten sich weiterhin, und zwar so stark wie zuletzt vor acht Monaten. Die Einkaufspreise sanken weiter, fielen jedoch nur minimal und so schwach wie seit einem Jahr nicht mehr. Auch die Verkaufspreise wurden erneut gesenkt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Auf Länderebene zeigte sich im Euroraum eine divergierende Entwicklung: Während Griechenland und Spanien Wachstum verzeichneten und in den Niederlanden erstmals seit August 2022 wieder ein Aufwärtstrend zu erkennen war, wurden diese positiven Entwicklungen durch die anhaltenden Wachstumseinbußen in Deutschland und Österreich überschattet, obwohl sich die negative Entwicklung in diesen Ländern jeweils verlangsamte.

Besonders besorgniserregend ist, dass Deutschland – das industrielle Kraftzentrum Europas – mit einem breit angelegten Abschwung zu kämpfen hat, der sich auf Schlüsselsektoren wie den Investitionsgüter-, Vorleistungsgüter- und Konsumgüterbereich erstreckt. Spaniens wirtschaftlicher Puls weicht vom Rhythmus der Eurozone ab. Dies wird durch das anhaltende Wachstum der Industrie zum dritten Mal in Folge belegt, das sich im April zudem beschleunigt hat. Diese positive Dynamik steht in einem starken Kontrast zu den mauen Ergebnissen in Deutschland, Frankreich und Italien. Gestützt durch ein günstiges globales Umfeld ist zu erwarten, dass sich diese Wachstumsdifferenz in den kommenden Monaten allmählich verringern wird, betont de la Rubia.

Der Rückgang der Produktion verlangsamte sich zum zweiten Monat in Folge und war so gering wie zuletzt vor einem Jahr, trotz einer Beschleunigung im Rückgang der Auftragseingänge und einem stärkeren Rückgang im Exportneugeschäft. Zur Aufrechterhaltung der Produktion trotz der hartnäckigen Auftragsschwäche wurden die Auftragsbestände im April noch stärker reduziert als im Vormonat. Der Stellenabbau setzte sich fort, verlangsamte sich jedoch und fiel schwächer aus als in den letzten sechs Monaten.

Nachdem sich der Rückgang der Einkaufsmengen in den letzten fünf Monaten verringert hatte, beschleunigte er sich im April erneut, was zu einem weiteren, diesmal stärkeren Abbau der Bestände an Vormaterialien führte. Die Lieferzeiten verkürzten sich im April zum dritten Mal in Folge und markant wie zuletzt vor acht Monaten.

Parallel dazu setzte sich der Rückgang der Einkaufspreise fort, allerdings verlangsamte sich dieser Prozess im April erheblich und war so gering wie seit dem Beginn des Preisrückgangs im März 2023 nicht mehr. Die Verkaufspreise wurden zum zwölften Monat in Folge reduziert. Die Geschäftsaussichten innerhalb des nächsten Jahres verbesserten sich zum zweiten Mal in Folge und waren so optimistisch wie seit Februar 2022 nicht mehr.


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Deutschland bleibt Sorgenkind

Der HCOB Einkaufsmanagerindex für Deutschland verblieb im April mit 42,5 Punkten tief in der Kontraktionszone unter 50 Punkten. Trotz einer Verbesserung gegenüber dem Vormonat (41,9 Punkte) liegt der Wert weiterhin unter dem Durchschnitt von 44,0 Punkten, der seit Mitte 2022 während der anhaltenden Schrumpfungsphase verzeichnet wurde.

Der Index bleibt im April tief im rezessiven Bereich, die Auftragseingänge sinken noch rasanter als bisher und statt die Lager für Vormaterialien wieder aufzufüllen, werden sie weiterhin geleert. Dieses Bild kontrastiert mit der zwar moderaten, aber dennoch deutlich erkennbaren Erholung des Industriesektors in vielen anderen Ländern der Welt. Das deutet darauf hin, dass strukturelle Faktoren eine entscheidende dämpfende Rolle spielen. Dazu zählt unseres Erachtens, dass China wegen des niedrigeren Wachstums dort, als Abnehmer für deutsche Exporte eine geringere Rolle spielt. Vor allem aber wird China für deutsche Maschinenbauer und Automobilproduzenten zunehmend zu einem Konkurrenten in China selbst, in Drittländern und in Deutschland. So ist beispielsweise der Export von Autos aus Deutschland nach China 2023 innerhalb von drei Jahren um 2 Prozent gesunken, der Import von Autos aus China dagegen um 250 Prozent gestiegen, warnt de la Rubia.

Der leichte Anstieg des Hauptindex ist teilweise auf geringere Einbußen in der Fertigung zurückzuführen. Die Produktion nahm dabei so geringfügig ab wie seit drei Monaten nicht mehr, was hauptsächlich auf positive Entwicklungen im Bereich der Vorleistungsgüter zurückzuführen ist.Im Gegensatz dazu verschärfte sich der Rückgang beim Auftragseingang. Die Zahl der Neuaufträge reduzierte sich insgesamt so stark wie seit dem letzten November nicht mehr, was vor allem auf hohe Lagerbestände und eine Zurückhaltung bei Investitionen zurückzuführen ist. Etwas positiver entwickelte sich das Exportneugeschäft, das das kleinste Minus seit einem Jahr verzeichnete, vornehmlich durch eine leichte Erholung im Vorleistungsgütersektor.

Obwohl die Auftragsbestände erneut stark schrumpften, war dieser Rückgang der geringste seit einem Jahr. Zudem führte die geringe Auslastung dazu, dass viele Hersteller wie in den vorangegangenen zehn Monaten auch im April Personal abbauten. Das Tempo des Jobabbaus verlangsamte sich im Vergleich zum März etwas, blieb jedoch eines der stärksten im genannten Zeitraum.

Die Einkaufsmenge nahm weiter ab, da sich viele Produzenten den niedrigeren Fertigungsraten anpassten und ihre Lager reduzierten. Ein weiterer Faktor für den Bestandsabbau war die verbesserte Materialverfügbarkeit, was zu spürbar verkürzten Lieferzeiten führte, die meisten Befragten schrieben dies der anhaltenden Nachfrageflaute über die gesamte Lieferkette zu.
Der geringere Bedarf an Rohmaterialien führte dazu, dass der Kostendruck weiter nachließ. Allerdings schwächte sich die Deflationsrate der Einkaufspreise deutlich ab und fiel so gering aus wie seit vierzehn Monaten nicht mehr, was teilweise auf signifikante Preisanstiege bei einigen Rohstoffen, wie Chemikalien und Buntmetalle, zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu erlebten die Verkaufspreise den stärksten Rückgang seit September 2009, was viele Umfrageteilnehmer auf den harten Wettbewerb um Neuaufträge zurückführten.

Die Geschäftsaussichten haben sich im April erneut verbessert und erreichten den höchsten Stand seit einem Jahr. Immer mehr Manager sind optimistisch, dass die Exportumsätze und Investitionen in den kommenden zwölf Monaten steigen werden. Trotzdem bleiben Sorgen aufgrund geopolitischer Konflikte und einer schleppenden Binnenkonjunktur bestehen, weshalb der Ausblick insgesamt noch verhalten ist und unter dem Langzeit-Durchschnitt liegt.

Auch der von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und dem Münchener Ifo-Institut erhobene Logistikindikator für April 2024 verzeichnete eine leichte Aufwärtsbewegung, allerdings bewerten die befragten Unternehmen ihre derzeitige Geschäftslage weiterhin als eher ungünstig. Die Skepsis bleibt auch in Bezug auf die Geschäftserwartungen für das nächste halbe Jahr bestehen und die allgemeine Stimmung in der Branche ist weiterhin gedämpft.

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