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Man könnte auch ehrlich sagen: „Wir wollen das Fahrpersonal einfach nicht mehr!“

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Dieser provozierende Satz in der Überschrift wäre ein ehrliches Statement der Verantwortlichen aus der Politik und den Behörden auf deutscher Seite, die die Verantwortung tragen, für die unhaltbaren, nicht zu erklärenden und völlig menschenunwürdigen Zustände in / ab der 7. Kalenderwoche 2021 an den Grenzen zu Deutschland (Bayern) und zu Österreich.

Dieses Statement könnten jedoch auch eine Vielzahl an Unternehmen abgeben, die Lkw´s abfertigen (be- / entladen), und auch die Speditions-, Transport- und Logistikbranche selbst. Dies wird natürlich so nicht passieren, selbst wenn man es einsehen würde (müsste), würde dies heute „politisch korrekt“ ausgedrückt werden. Dann wären die Aussagen wohl, „es war den Verantwortlichen so nicht bewusst, und schon gar nicht beabsichtigt“, oder ein ähnlich nicht aussagekräftiges und überflüssiges Statement. Wer mit jedoch Rückgrat, Anstand und Charakter wirklich was verändern möchte, und einen Missstand einsieht und ihm dieser bewusst ist, der wird dies niemals mit so verschwommenen und nicht wirklich aussagekräftigen Statements schaffen.

Bisherige Vorgehensweise der Politiker ist schwer zu erklären

Das was aufgrund einer völlig überstürzten und unüberlegten Handlung von profilierungs- und machtsüchtigen verantwortlichen Personen den Fahrern und Fahrerinnen an den Grenzen, in den vergangenen Wochen zwischen Deutschland und Tschechien, sowie Italien und Österreich angetan wurde, ist nicht mal ansatzweise zu erklären und zu entschuldigen. Die alleinige Verantwortung dafür tragen jedoch die verantwortlichen Personen aus Politik und Behörden in Deutschland hierfür. Die verantwortlichen Politiker in Tirol haben sich mit den Argumenten, die auch auf der anderen Seite der Staatsgrenze gelten sollten (z.B. Blockabfertigung), „elegant“ aus der Situation gerettet, und das allein von deutscher Seite aus verursachte Problem einfach 110 Kilometer weiter nach Süden an die Staatsgrenze von Italien nach Österreich auf italienisches Gebiet verschoben.

Chaos und und menschenunwürdige Zustände an den Grenzen sind nicht zu entschuldigen

Dass man mit so einer überstützten und unverantwortlichen Aktion selbst bei größtmöglichem Einsatz auf der anderen Seite nur Chaos und menschenunwürdige Zustände verursachen kann, müsste jedem klar sein, der nur annähernd im Besitz einer funktionierenden und durchschnittlichen geistigen Leistungsfähigkeit ist.

Wenn auch Zustände insbesondere am Autohof in Sterzing völlig menschenunwürdig waren, muss jedoch allen Mitwirkenden auf südtiroler / italienischer Seite einfach nur sagen „vielen Dank!“. Konfrontiert mit einer Situation, die nicht mal ansatzweise von dieser Seite verursacht wurde, hat man doch versucht, es irgendwie hinzubekommen. Von deutscher Seite kann man sich nur entschuldigen für so eine Situation, einmal bei den Helfenden vor Ort, und insbesondere bei den Fahrern und Fahrerinnen vor Ort. Jedoch nicht nur am Autohof Sterzing, sondern überall, wo es aufgrund der überstürzten und kurzfristigen Entscheidung zu unwürdigen Situationen an den Grenzen kam.

Systemrelevant, aber wir wollen euch nicht mehr?

Die Zustände die die Fahrer und Fahrerinnen vor Ort in Hinblick auf die hygienische Situation, der Versorgung und der Informationen erleiden mussten, sind in keinster Weise zu entschuldigen und zu erklären. Ehrlich wäre seitens der dafür Verantwortlichen, wenn man sagen würde, „wir wollen euch einfach nicht mehr“ (bezogen auf das Fahrpersonal). Jedoch ist unser Fahrpersonal aktuell und in auch in Zukunft unersetzlich für eine funktionierende Versorgung der Bevölkerung, sowie eine Versorgung der Wirtschaft. Ohne Menschen die bereit sind, diesen anspruchsvollen und fordernden Beruf auszuüben, gibt es für die Gesellschaft keine Versorgung mit dem Nötigsten (Nahrungsmittel, Artikel des alltäglichen Bedarfs), und keine Arbeitsplätze sowie Wohlstand. Dabei sollte der Gesellschaft und Politik mal bewusst werden, dass das gesamte Fahrpersonal für uns alle auf den Straßen unterwegs ist, um ihre Arbeit zu verrichten, und nicht um auf den Straßen spazieren zu fahren.

Auch Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen tragen die Verantwortung

Neben der Politik, könnten dieses in der Überschrift benannte Statement auch eine Vielzahl an Unternehmen abgeben, die Lkw´s abfertigen. Dabei sind Punkte wie das Nichtgewähren der Nutzung von Toiletten, Toiletten ohne Möglichkeit sich die Hände zu waschen, ein völlig unangebrachter und unwürdiger Umgang mit dem Fahrpersonal, stundenlange Abfertigungszeiten ohne kompetente und ehrliche Aussage darüber vorab, nicht vorhandene Parkplätze zum Warten (oftmals muss auf der Straße gewartet werden), keinerlei Sozialräume vor Ort die genutzt werden dürfen, eine insgesamt schlechte oder nicht vorhanden Infrastruktur für die Abfertigung der Lkw´s sowie das Fahrpersonal vor Ort, nicht erklärbare und völlig überflüssige Anweisungen vor Ort, wie z.B. das Tragen von Schutzhelm und Schutzbrille über Stunden für den gesamten Prozess der Abfertigung, während das Verladepersonal vor Ort für die mit dem Fahrer / Fahrerin gemeinsam durchgeführte Verladung diese nicht tragen muss, usw.

Dabei ist leider ein großer Anteil der Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen selbst nicht mal ansatzweise bereit, angemessene Bedingungen für das Fahrpersonal zu stellen, sondern stellen die gleichen unterirdischen Bedingungen und Gegebenheiten bei der Abfertigung der Lkw´s bereit. Auch eine angemessene Wertschätzung der Arbeit des Fahrpersonals gelingt vielen verantwortlichen Personen und Unternehmen aus der Transport-, Speditions- und Logistikbranche nicht, weil sie es nicht wollen, und/oder auch nicht können. Da sie meist nicht mal ansatzweise wirklich kennen, was die Fahrer und Fahrerinnen leisten. Einige für viele völlig „normale“ Zustände:

  • Viel zu lange Einsatzzeiten, zum Teil über Monate,
  • Desolate Bezahlung,
  • Fehlende Bereitstellung angemessener, erforderlicher und zeitgemäßer Ausstattung (eine Vielzahl der Fahrer und Fahrerinnen müssen sich auch heute noch ein Navigationssystem selbst kaufen; oder einer angemessenen Fahrzeugausstattung, bzw. dem generellen Equipment zum Arbeiten),
  • Das Nichtbereitstellen von Sicherheitsausstattung (ja, eine Vielzahl des Fahrpersonals muss sich Sicherheitsschuhe, Arbeits-/Schutzhandschuhe, Warnwesten, etc. selbst kaufen),
  • Das Abwälzen der Bezahlung der Parkgebühren für das Parken des Lkw auf das Fahrpersonal,
  • Nicht vorhandene Schulungen und Einweisungen in das Equipment. – immer noch, schickt man bei dem größten Teil der Unternehmen, die neuen Fahrer und Fahrerinnen einfach los, ohne Einweisung und Schulung, auch bei neuen Gegebenheiten und neuem Equipment gibt es meist keine Einweisung. Wie kann man einen bestimmungsgemäßen Umgang erwarten, wenn dies den Fahrer und Fahrerinnen niemals erklärt wird.

Diese Aufzählung könnte man noch lange fortführen…

Anerkennung und Wertschätzung sind nicht ausreichend

Wer die Arbeit der Fahrer und Fahrerinnen wirklich kennt, der kann nur DANKE sagen, was sie jeden Tag leisten!!! Nur Anerkennung und Wertschätzung sind jedoch auch nicht ausreichend! Es müssen auch wirkliche Veränderungen seitens der Politik, den zuständigen Behörden, der Unternehmen die Lkw´s abfertigen, und auch im besonderen Maße von der Transport-, Speditions- und Logistikbranche selbst kommen, und diese dann auch wirklich gelebt werden. Dann gelingt es vielleicht auch wieder, zumindest einen gewissen Teil des Bedarfs an Fahrpersonal aus EU-Staaten zukünftig abzudecken.

Allen Fahrern und Fahrerinnen: vielen Dank für eure Arbeit, und allzeit gute Fahrt!!!

Foto: Trans.INFO

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