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Was bedeutet die Zulassung von HVO100 in Deutschland?

Auf diese und weitere Fragen zu HVO100 antwortet RA Elmar Kühn, Hauptgeschäftsführer des UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V. [Der Artikel ist ursprünglich am 28.April 2023 erschienen].

Lesezeit 6 Min.

Rund 99 Prozent der Kraftfahrzeuge im Bestand in Deutschland verfügen über einen Verbrennungsmotor; in den allermeisten Fällen wird dieser mit einem flüssigen Kraftstoff betrieben. Und es ist absehbar, dass der Verbrennungsmotor noch viele Jahre die Pkw- und Nutzfahrzeugflotten dominieren wird.

Um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen, muss daher auch der Bestand in die Bemühungen um CO2-Emissionsminderungen einbezogen werden. Dafür ist es dringend erforderlich, erneuerbare Kraftstoffe mit einem hohen Emissions-Minderungspotenzial einzusetzen, die herkömmlichen Kraftstoffen beigemischt werden oder diese auch vollständig ersetzen können. Zu diesen Lösungsoptionen zählen grünstrombasierte synthetische E-Fuels aber auch biogene fortschrittliche Kraftstoffe wie so genannter HVO-Diesel.

Was ist HVO?

Die Abkürzung HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oil”, zu Deutsch „hydriertes Pflanzenöl”. HVO ist ein sog. paraffinischer Dieselkraftstoff, als Reinkraftstoff auch HVO100 bezeichnet. HVO100 wird aus zertifizierten, nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen, wie gebrauchten Frittierfetten und Pflanzen-/Speiseölen hergestellt und steht daher nicht in Konkurrenz mit Futter- und Nahrungsmitteln.

Bedenken, bei der Herstellung von HVO100 würde Palmöl verwendet, sind unbegründet. Seit 2023 gelten in Deutschland verschärfte Nachhaltigkeitskriterien, wodurch Biokraftstoffe aus Palmöl vom Markt ausgeschlossen werden. HVO ist ein zu 100 % aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellter Dieselkraftstoff, der Treibhausgasemissionen direkt reduzieren und den Klimawandel bekämpfen kann. HVO100 ist international bereits im Einsatz und ein in der Praxis erprobter und im industriellen Maßstab verfügbarer erneuerbarer Dieselreinkraftstoff.

Laut Angaben von HVO-Herstellern sind hinreichend große Mengen HVO marktverfügbar, um einen relevanten Klimaschutzbeitrag im Straßenverkehr zu leisten: Weltweit werden jährlich über sieben Mio. Tonnen HVO produziert. Bis 2025 wird die globale HVO-Produktion voraussichtlich 30 Mio. Tonnen per anno überschreiten.1 Mittel- und langfristig bieten aus Herstellersicht skalierbare und nachhaltige Rohstoffquellen weitere Mengenpotenziale. Neben synthetischen, grünstrombasierten E-Fuels hat HVO damit das Potential, dauerhaft Teil einer Kraftstoffwende zu sein und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Das Bundesumweltministerium ist der Entscheider für die Zulassung von HVO, wann wird dieser an den Zapfsäulen verfügbar sein?

HVO100 erfüllt die Kraftstoffnorm DIN EN 15940 und ist damit in Europa für den Verkauf grundsätzlich zugelassen. Noch bestehende regulatorische Hürden dafür in Deutschland sollen in Kürze fallen, HVO100 kann dann auch an Tankstellen abgegeben werden. So hat der Deutsche Bundestag am 3. März 2023 die Bundesregierung dazu aufgefordert, die „deutsche Regulierung für Kraftstoffe dahingehend zu ändern, dass der Einsatz und Vertrieb paraffinischer Kraftstoffe in Reinform für alle Nutzer ermöglicht wird. Dazu soll die 10. BImSchV zeitnah geändert vorgelegt werden, dass auch Kraftstoffe, die der DIN EN 15940 entsprechen, vollumfänglich zulässig sind“. Ein Umsetzungszeitplan des dafür federführenden Bundesumweltministeriums ist bislang noch nicht bekannt.

Der aktuell geltende Rechtsrahmen schränkt das Inverkehrbringen von HVO100 noch sehr stark ein. Privatwirtschaftlich betriebenen Fahrzeugflotten des Straßengüterverkehrs, Reisebus-, Fernbus- und Dienstwagenflotten sowie Privatpersonen ist die Nutzung von HVO100 aus rechtlichen Gründen nicht möglich. So dürfen zwar im Personenverkehr ÖPNV-Busse in bestimmten Fällen mit HVO100 betankt werden (Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz), wenn dasselbe Unternehmen jedoch seine Reisebusse an derselben Tankstelle mit demselben Kraftstoff betanken möchte, ist dies verboten.

Im Gegensatz zu Deutschland erlauben die meisten EU-Mitgliedstaaten und die USA das Inverkehrbringen und den Verkauf dieses Dieselreinkraftstoffs. HVO100 ist bereits an über 600 Tankstellen in Europa frei erhältlich. Mit der rechtlichen Zulassung von HVO100 für den Straßenverkehrssektor könnten bereits heute die CO2-Emissionen zahlreicher Dieselfahrzeugflotten dauerhaft, nachhaltig und kosteneffizient gesenkt werden.


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Welche Vorteile hat der Kraftstoff?

Unser Verbandsmitglied Neste produziert und vertreibt den HVO-Kraftstoff „MY Renewable Diesel“. Dieser HVO-Kraftstoff spart im Vergleich zu fossilem Diesel bis zu 90 % Treibhausgasemissionen ein (Die Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Emissionen und der Emissionsreduzierung entspricht der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II (2018/2001/EU)) – bei gleicher Performance wie konventioneller Diesel.

„Die hohe Cetanzahl von Neste MY Renewable Diesel gewährleistet eine effiziente und saubere Verbrennung. Er besitzt eine gute Kältebeständigkeit und eignet sich daher für sehr niedrige Temperaturen von bis zu -22°C. Darüber hinaus ist er frei von Schwefel, Sauerstoff und Aromaten und kann längere Zeit ohne Qualitätsverlust und Erhöhung des Wassergehalts gelagert werden“, so Neste. Der erneuerbare Kraftstoff verringere zudem die Emissionen gefährlicher Stoffe wie z.B. Feinstaub, Kohlenwasserstoff, Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid und polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), wodurch die Luftqualität vor Ort verbessert wird.

Kann HVO100 auch in Lastkraftwagen vertankt werden?

Da HVO100 ein vollwertiger Dieselkraftstoff mit einer ähnlichen chemischen Zusammensetzung wie fossiler Diesel ist, ist er für die allermeisten Dieselfahrzeuge und -motoren, also Pkw, Lkw, Busse, Baumaschinen etc., geeignet, ohne dass der Motor umgerüstet werden muss. Nahezu alle Fahrzeug- und Motorenhersteller haben die von ihnen produzierten Dieselmotoren für die Nutzung von HVO100 freigegeben – teilweise sogar rückwirkend für Bestandsfahrzeuge. Für Lkw und Busse liegen diese Freigaben bereits seit mehreren Jahren vor. Zudem sind keine technischen Anpassungen oder Umrüstungen der flächendeckend verfügbaren Tankstelleninfrastruktur notwendig. Dies gilt auch für bestehende, nicht-öffentliche Tankinfrastrukturen auf Logistikanlagen und Betriebshöfen.

Als Vertretung mittelständischer Handelsunternehmen im Bereich der Kraft-, Brenn- und Schmierstoffe unterstützen wir die regulative Zulassung von HVO100 und fordern eine zeitnahe Zulassung. Viele unserer Mitglieder sind bereits in Sachen HVO aktiv und bieten deutschlandweit Diesel mit HVO-Beimischungen an Tankstellen an und beliefern auf Nachfrage auch gewerbliche Flottenbetreiber. Die Zulassung des Reinkraftstoffs HVO100 ist ein überfälliger Schritt, der gut für das Klima ist.

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