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6 Monate in der Kabine oder Schluss mit der Arbeit bei Fuhrunternehmen aus der EU? Weißrussland führt Beschränkungen beim Grenzübertritt ein

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Ab dem 21. Dezember wird es in Weißrussland vorübergehend verboten sein, den Staat auf dem Landweg zu verlassen. Theoretisch sind  Lkw-Fahrer von den Beschränkungen ausgenommen, aber in der Praxis findet die neue Vorschrift Anwendung für diejenigen, die in ausländischen Unternehmen beschäftigt sind. In diesem Fall dürfen Trucker die Grenze nur einmal alle sechs Monate überqueren.

Die neuen Beschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus (zumindest gemäß der offiziellen Version) treten  am 21. Dezember in Kraft. Sie gelten für Bürger und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis in Weißrussland. Ausnahmen bilden unter anderem Mitglieder offizieller Delegationen und Fahrer, die im internationalen Verkehr arbeiten.

Das Problem liegt jedoch darin, dass die Verordnung eine Bestimmung umfasst, wonach „eine Reise zur Arbeit in einem anderen Land nicht mehr als einmal in sechs Monaten erlaubt ist“. Nach Angaben des Portals auto.tut.by gilt dies auch für Lkw-Fahrer ausländischer Unternehmen. Zwar dürfen Trucker im Rahmen einer Beförderung die Grenze ohne Einschränkungen überqueren, aber nach der Einlegung der Pause dürfen sie das Land nicht mehr verlassen, um ihre Arbeit erneut aufzunehmen.

Lkw-Fahrer, die unter anderem in westeuropäischen Fuhrunternehmen beschäftigt sind, scherzen, dass sie jetzt Schiffskapitänen ähneln werden, die auf Kreuzfahrt gehen – sofort für sechs Monate. Allerdings lacht niemand wirklich. Die Begrenzung des Verkehrs an Grenzübergängen wird das Leben in außergewöhnlichem Ausmaß erschweren. Man befürchtet auch, dass für die Behörden nicht die Pandemie wichtig sei, sondern dass es sich dabei nur über politische Maßnahmen handeln: Sperrung der Grenzen und eine weitgehende Kontrolle der Bürger. 

Von diesen Beschränkungen werden auch Frachtführer aus den EU-Staaten betroffen sein, die belarussische Fahrer beschäftigen, weil sie ihnen entweder einen längeren Aufenthalt außerhalb von Belarus gewährleisten oder den Transport zu ihrem Arbeitsplatz anders als auf dem Landweg  arrangieren müssen.

Gibt es einen Ausweg?

Europäische Arbeitgeber suchen jetzt nach Möglichkeiten, um das Verbot zu umgehen. Bisher aber ohne Erfolg. „Die Fahrer selbst wissen nicht, was sie tun sollen, alle suchen nach einem möglichen Ausweg”, sagt Jarosław, Trucker eines litauischen Unternehmens. Bisher verursachte die Heimreise keine Probleme – der Weißrussische ließ den Lastwagen im Dorf nahe der Grenze stehen und fuhr mit dem Auto in seine Heimatstadt.

Bisher haben wir auf der Basis der sogenannten “Kreise” gearbeitet. 3 Wochen unterwegs, dann eine kurze Pause zu Hause, dann wieder zur Arbeit. Infolge der Pandemie, als die Quarantäne und die Verpflichtung zur 10-tägigen Isolation in Kraft traten, mussten wir dies ändern – wir arbeiten ungefähr 2 Monate und verbringen dann 2-3 Wochen zu Hause, erzählt Jarosław gegenüber auto.tut.by. 

Jetzt müssen Lkw-Fahrer jedoch andere Wege finden, um zur Arbeit zu gelangen. Litauische Transportunternehmen sind bereits auf einen Idee gekommen. Die neue Verordnung betrifft nur das Landeweg, was bedeutet, dass Trucker ihren Arbeitsplatz mit Flugzeugen erreichen können. Im Fall von Jarosław zahlt es sich aus – die Kosten für ein Ticket nach Vilnius betragen 50 EUR. Dazu kommen noch die Ausgaben für die Fahrt vom / zum Flughafen.

Für viele Fahrer lohnt sich dies aber nicht. Mitarbeiter aus tieferen Regionen von Weißrussland müssen zuerst den nächstgelegenen Flughafen erreichen, der manchmal mehrere hundert Kilometer entfernt ist. Flüge nach Polen und Deutschland sind auch nicht günstig. Für viele Arbeitgeber ist dies eine zu große finanzielle Belastung, und die Fahrer können sich keine Flüge leisten. Darüber hinaus arbeiten viele Weißrussen in Unternehmen in grenznahen Städten, was bedeutet, dass sie unnötig die Hälfte des Landes durchqueren müssen.

Ich lebe in der Nähe der polnisch-belarussischen Grenze. Ich muss nach Minsk, von dort nach Warschau und dann wieder zur Grenze – zur Firmenstandort. Es ist zu teuer – sagt Witalij, der Fahrer eines polnischen Transportunternehmens


Das 4/2-System. Keine Wochen, sondern Monate

Anton arbeitet in Deutschland, aber für ein litauisches Unternehmen. Er fährt mit seinem eigenen Auto zum Firmenstandort in Vilnius, von dort aus mit dem Bus in Begleitung anderer Fahrer nach Deutschland, wo sich die gesamte LKW-Flotte befindet.

Das Unternehmen verfügt über 500 Fahrzeuge, praktisch alle Fahrer kommen aus  Weißrussland. Wir arbeiten 6 Wochen, dann verbringen 3 zu Hause. Wir überqueren die Grenze alle zwei Monate – sagt der Trucker.

Wie er sagt, hat der Arbeitgeber keine Ahnung, was er in dieser Situation tun soll. Er hofft jedoch, dass der Chef sich etwas einfallen lässt. Er hat keine Absicht, alleine zu fliegen.

Wir scherzen, dass das Arbeitssystem geändert werden muss: vier Monate bei der Arbeit, zwei – zu Hause. Und so folgen wir der neuen Verordnung, wir haben dann nur einen Grenzübergang in 6 Monaten. Es gibt Fahrer, die so arbeiten. Ich weiß, dass manche Trucker aus Usbekistan ein Jahr in der Kabine gearbeitet und gelebt haben, erzählt er.

Die Praxis zeigt, dass die Umgehung ähnlicher Vorschriften nicht nur möglich, sondern auch und rentabel sein kann. Im September dieses Jahres gab es einen Fall eines belgischen Transportunternehmens, das ein Flugzeug charterte, um alle zwei Wochen rund 180 Lkw-Fahrer von Rumänien in die Niederlande zu befördern, weil die Vergütung der rumänischen Trucker zwischen 550 und 600 Euro pro Monat (zum Vergleich: belgische Fahrer verdienen etwa 5.000 Euro) liegt. Wird es jetzt notwendig sein, ein Flugzeug von Minsk zu mieten? Oder werden die Fahrer tatsächlich mehrere Monate auf der Straße verbringen? Die Antwort kommt mit der Zeit.

Foto: Inga Szkeler, auto.tut.by

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