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Foto: Waberer's

Kurzinterview: Das Wichtigste sind Anerkennung und eine respektvolle Kommunikation

In unserem Interview behauptet Barnas Zsolt, CEO von Waberer's, dass Unternehmen habe einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und biete beste Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig kritisiert Zsolt das Mobilitätspaket und spricht von gravierenden Defiziten in Europa in den Bereichen Bildung und berufliche Aktivierung.

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Natalia Jakubowska, Trans.iNFO:Europaweit klagen Unternehmen über Fachkräftemangel. Betroffen ist auch die Transport- und Logistikbranche. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Thema?

Barnas Zsolt, CEO von Waberer’s: Leider müssen wir feststellen, dass die Fluktuation in diesem Beruf ganz normal ist. Der Beruf des LKW-Fahrers ist nicht mehr angesehen, er ist für junge Menschen unattraktiv, aber wir müssen Maßnahmen ergreifen, um den Wert des Berufes hervorzuheben und jungen Menschen zu zeigen, dass dieser Beruf eine finanzielle Stabilität bietet, durch die sie ihre Zukunft absichern können.

Derzeit haben auch wir mit einem Mangel an Fahrern zu kämpfen, sowohl im inländischen als auch im internationalen Verkehr. Jedoch im internationalen Verkehr haben sich – auch dank unseres neuen Geschäftsmodells – die Arbeitsbedingungen sehr stark verändert; die Arbeit ist vorhersehbarer geworden, und wir sind besser in der Lage, dafür zu sorgen, dass die Fahrer pünktlich nach Hause kommen, was früher zu Konflikten zwischen den Beschäftigten und dem Unternehmen führte. Diese Situation hat sich derzeit völlig normalisiert, was bedeutet, dass wir, wenn auch nicht immer, so doch in der Regel annähernd genügend Fahrer haben.

Darüber hinaus verfügen wir bei Waberer’s über einen der modernsten Fuhrparks, was uns einen gravierenden Wettbewerbsvorteil verschafft, so dass wir unseren Fahrern die besten Arbeitsbedingungen bieten können. Bis Ende 2022 werden wir 50 Prozent unseres Bestandes erneuert haben, was bedeutet, dass wir in Bezug auf den Fahrerkomfort das wettbewerbsfähigste Paket anbieten können.

In den letzten Jahren hat sich leider Personalmangel im Logistiksektor breit gemacht. Unserer Meinung nach kann er nur durch die Automatisierung bestimmter Prozesse und die Verbesserung der Effizienz verringert werden. Ich kann sagen, dass Waberer’s in der Region auch in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle einnimmt, und in Zukunft werden wir alle unsere Investitionen in die Lagerlogistik unter diesen Gesichtspunkten planen.

Macht die Politik Ihrer Meinung nach genug? Welche politischen Strategien könnten das Problem langfristig lösen?

Ich muss sagen, und zwar nicht nur als Chef von Waberer’s, sondern auch als Vorsitzender des MKFE (Ungarischer Straßentransportverband – Anm. d. Redaktion), dass das Mobilitätspaket weder kurz- noch langfristig die Probleme des Logistiksektors in Bezug auf Arbeitskräfte lösen wird. Weder in den staatlichen Infrastrukturen noch im Wettbewerbsbereich gibt es Anreize zur Verbesserung der Arbeits- und Sozialbedingungen. In den Bereichen Bildung und berufliche Aktivierung gibt es in ganz Europa gravierende Defizite. Meiner Meinung nach kann dieses Problem allein durch die Beschäftigung von Fahrern aus Drittländern und ohne Berücksichtigung der oben genannten Themen nicht gelöst werden.

Da auf dem ungarischen Markt derzeit mehr als 8.000 Berufskraftfahrer fehlen und wir bei Waberer’s 3.600 Fahrer beschäftigen, sind wir gezwungen, auf alternative Methoden der Fahrerakquise zurückzugreifen: Wir haben uns für die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte aus den Nachbarländern entschieden und in diesem Jahr mit der beruflichen Integration von Arbeitskräften aus Drittländern begonnen. Hierfür ist natürlich politische Unterstützung erforderlich, da ein solcher Arbeitnehmer die gleichen Genehmigungen wie sein ungarischer Kollege einholen muss, um Transporttätigkeiten in der Europäischen Union ausüben zu können.

Ich möchte jedoch betonen, dass Waberer’s nach wie vor in erster Linie auf ungarische Fahrer und regionale Fahrerbeschaffung setzt – die meisten unserer Fahrer kommen nach wie vor aus Ungarn. Dies könnte jedoch ein ernsthaftes Hindernis für das Wachstum des Unternehmens darstellen, wenn wir nicht in der Lage wären, unsere Touren zu besetzen.

Und was können Unternehmen machen, damit die Berufe in der Transport- und Logistikbranche wieder ein wenig attraktiver werden?

Das Wichtigste sind Anerkennung und eine respektvolle Kommunikation. Wenn die Fahrer das Gefühl haben, dass das Unternehmen ihre Arbeit anerkennt und wertschätzt – natürlich bei angemessener Vergütung -, kann die Fluktuation erheblich gesenkt werden. In der Vergangenheit haben wir in dieser Hinsicht viele Fehler gemacht – wir haben uns vor allem auf das Wachstum des Unternehmens und weniger auf die einzelnen Menschen konzentriert, aber wir unternehmen jetzt wichtige Schritte, um dies zu ändern. Zufriedene Mitarbeiter sind die beste Visitenkarte eines Unternehmens.

Das LKW-Fahren selbst ist dank fortgeschrittener Werkzeuge und IT-Systeme viel einfacher geworden. Die Technologie hat sich in den letzten zehn Jahren stark weiterentwickelt. Dank effektiver Fahrerunterstützungssysteme, Navigationssysteme und Routenplanungstools sowie Kommunikationsmitteln wurde die Arbeit unserer Fahrerkollegen erheblich erleichtert. Gleichzeitig bleibt der Stress im Hinblick auf das LKW-Fahren bestehen, vor allem auf internationalen Strecken. Außerdem sollten wir die Schwierigkeiten an den Be- und Entladestellen nicht vergessen, denn auch hier macht sich der Personalmangel bemerkbar, so dass die Wartezeiten an den Rampen ebenfalls zugenommen haben und die Fahrer vielerorts gezwungen sind, sich am Be- und Entladen zu beteiligen, was eigentlich nicht ihre Aufgabe sein sollte. Diese Probleme müssen auf ein Minimum reduziert werden, so dass sich die Fahrer ausschließlich auf ihre Aufgaben konzentrieren können.

Wie sieht bei Ihnen im Unternehmen der Wettbewerb um junge Leute aus?

Der Wettbewerb ist sehr groß, die jungen Fahrer haben fast eine Monopolstellung inne. Vielerorts kann oder will man jedoch keine Fahrer ohne Erfahrung einstellen. Wir bieten dagegen auch Anfängern durch unser Ausbildungssystem die Möglichkeit, einen Job bei uns zu bekommen.

Wie wird sich der Arbeitsmarkt in der Transport- und Logistik in Zukunft entwickeln?

In Ungarn starten wir in Zusammenarbeit mit der Regierung und Branchenverbänden gemeinsame Programme, um den Arbeitskräftemangel im Sektor zu beheben und so wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Vorteil Ungarns liegt in der Wettbewerbsfähigkeit der Logistik, die ohne gut ausgebildete Arbeitskräfte nicht möglich ist. Wir überarbeiten daher unsere staatlichen Berufsbildungssysteme, beobachten und versuchen, das Ansehen des Berufs zu erhöhen. Wir versuchen auch, die sozialen Bedingungen zu verbessern (z. B. durch den Ausbau von Parkplätzen, die Anpassung und Kontrolle der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Fahrer). Darüber hinaus unterstützen wir, wie bereits erwähnt, auch die berufliche Integration von Kollegen aus Drittstaaten. Ich glaube, dass wir mithilfe dieser Maßnahmen deutlich zur Verbesserung der derzeitigen Situation beitragen werden.

 

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