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Fotonachweis: BGL/Piotr Banczerowski

Kurzinterview: Wer das Jahr 2022 erlebt hat, ist mit Prognosen noch vorsichtiger als je zuvor

Unsere Gesprächsreihe schließen wir mit einem Interview mit Prof. Dr. Dirk Engelhardt vom BGL ab. 

Lesezeit 3 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Wie blicken Sie auf das Jahr 2022 zurück?

Prof. Dr. Dirk Engelhardt, BGL-Vorstandssprecher: Vor einem Jahr um diese Zeit waren wir uns ziemlich sicher, nach weitgehend überstanden geglaubter Corona-Pandemie die schwierigste Zeit des deutschen Transportlogistikgewerbes seit Gründung des BGL im Jahre 1947 hinter uns gebracht zu haben. Ein Irrtum, wie wir heute wissen. Seit Beginn des – für die meisten von uns zuvor für unmöglich gehaltenen – Ukraine-Krieges ist alles anders. Diesel- und noch mehr die LNG- und AdBlue-Preise erklommen binnen kürzester Zeit immer neue Rekordhöhen. Bei allem Unglück, das der Ukraine-Krieg gebracht hat, sehen wir aber auch die einzigartige internationale Hilfsbereitschaft – und niemand hilft dabei so viel, wie die Menschen in Polen, wofür sie zu Recht aus aller Welt größten Respekt erfahren.

Was ist Ihr persönliches Branchenwort des Jahres ?

Fahrermangel.

Was erwarten Sie mit Blick auf die Transport-und Logistikbranche für 2023?

Wer das Jahr 2022 erlebt hat, ist mit Prognosen noch vorsichtiger als je zuvor. Momentan besteht allerdings eine große Übereinstimmung bei den Wirtschaftsinstituten, dass 2023 eine allgemeine Rezession bevorsteht. Da die Transportnachfrage eine sogenannte abgeleitete Nachfrage ist – nur das, was zuvor produziert und gehandelt wurde, wird in der Folge dann auch transportiert – wird das die Transport- und Logistikbranche im Falle des Falles auch zu spüren bekommen. Es stellt sich wohl nur noch die Frage, wie groß die Rezession tatsächlich sein wird. Der deutsche Arbeitsmarkt verzeichnet momentan zumindest noch eine Rekordbeschäftigung.

Welche Aktivitäten und Projekte stehen bei Ihnen für das Jahr 2023 auf der Agenda?

Was immer ganz oben auf der Agenda steht, ist der Kampf gegen den europaweit grassierenden Fahrermangel. Dann müssen unsere Unternehmen ganz aktuell mit den Folgen der Anfang November beschlossenen Mauterhöhung um bis zu 40 Prozent in Deutschland kämpfen. Die diversen Auswirkungen des Ukraine-Krieges werden auch in 2023 uns allen noch zu schaffen machen, vor allem die extrem gestiegenen Energiekosten, deren Preisgestaltung Fragezeichen aufwirft. Außerdem machen sich in Deutschland immer mehr Sorgen wegen einem möglichen Blackout breit, weil die Versorgungssicherheit mit Elektrizität nicht mehr gewährleistet ist. Ein Dauerthema ist ebenso die Umsetzung der sogenannten Verkehrswende in Deutschland: 2030 sollen ambitionierte Ziele bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Straßengüterverkehr erreicht werden, es bestehen allerdings begründete Zweifel an deren Realisierbarkeit.

Welche Tipps würden Sie Unternehmen für ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2023 geben?

Als Bundesverband müssen wir bei Tipps für Unternehmen zurückhaltend sein, weil das Bundeskartellamt entsprechende Äußerungen als Aufruf zu marktkonformem Verhalten in der Branche interpretieren könnte. Generell kann man jedoch sagen, dass das althergebrachte „kaufmännische Vorsichtsprinzip“ nichts an Aktualität verloren hat und in Deutschland bedauerlicherweise politische Zusagen nicht mehr länger als die laufende Legislaturperiode Gültigkeit haben.

 

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